Achet-Aton |
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(Akhetaton) |
"Horizont des Aton"
Im fünften Jahr seiner Regierungszeit verließ Echnaton Theben. Zu sehr war die Gegend von den Tempeln und Riten der alten Götter - vor allem »Amun« - geprägt. Für »Aton« - seinem neuen Gott - suchte der Pharao nach einem unberührten Ort - unbelastet von Zeugnissen der Vergangenheit und frei von anderen Gottheiten. Am Ostufer des Nil in der »Ebene von Amarna« fand Echnaton den idealen Standort für seine neue Königsmetropole.
Überlieferungen zufolge, rastete der Pharao mit seinem Gefolge in dieser Ebene und blickte über den Horizont auf eine Reihe scharfkantiger Klippen über denen die Sonne eine Weile zu verharren schien. Er deutete dies als Zeichen seines Gottes Aton und nannte fortan diesen Ort Achet-Aton, “Der Horizont des Aton".
“Sehet Achet-Aton, vom dem Aton wollte, dass es ihm geschaffen werde als Denkmal für seinen Namen und für alle Zeit. Aton, mein Vater war es, der auf Achet-Aton wies und das man es ihm dort erbaue.”
Aus dem Nichts wurde die Stadt in kürzester Zeit errichtet. Nach nur etwa 3 Jahren Bauzeit war »Achet-Aton« bezugsfertig und hatte für die damalige Zeit eine gigantische Dimension von mehr als 10 km Länge und 5 km Breite. Reichlich Platz für den »Kleinen und großen Aton-Tempel«, Echnatons »Regierungspalast« und etwa 30.000 Untertanen!
Mit Echnaton und Gemahlin Nofretete zog der gesamte Hofstaat, der Verwaltungstab des Landes, viele Handwerker und Baumeister mit Familie nach Achet-Aton.
Architektur
Die Stadt war in ihrer Anlage neu. Auch darin brach Echnaton sämtliche Traditionen:
Die geheimnisvollen Tempel Thebens, oft düster wie Höhlen, wo man sich vom Tageslicht in die tiefe Dunkelheit des Allerheiligsten vortasten musste, entsprachen nicht dem Kult des neuen Gottes.
Wie es vielmehr zum Wesen des Aton passte, waren Tempel und Palast zum Himmel offen und nach der Sonne ausgerichtet. Es gab keine keine dämmerigen oder dunklen Räume, denn Aton sollte ja als Sonne des Tages überall in seinen Gotteshäusern Zutritt haben und allgegenwärtig sein.
Der große »Tempel des Aton« war für die Andacht der Bevölkerung des Reiches bestimmt. Zentraler Punkt waren die zum Himmel offenen Höfe, um den Lauf der Sonne bis zu dem mit Opfergaben beladenen Altar freien Lauf zu lassen. So schritt man in vollem Licht neben den Opfertischen bis zum Altar. Insgesamt fanden die Archeologen im Aton-Tempel Spuren von 1800 Opfertischen.
Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang durchfluten Atons Strahlen die heiligen Mauern der neuen Hauptstadt. Sein Gott Aton wird unter freiem Himmel verehrt.
Leben in Achet-Aton
Die Sonne Aton bestimmte das Leben der Menschen. Nicht nur als religiöses Abbild, sondern auch im Alltag unter freiem Himmel.
Ausländische Gesandte litten unter der Sitte, feierliche Versammlungen in der prallen Sonne abzuhalten. Der König von Assyrien fragte: “Warum werden meine Boten angehalten in der Sonne zu stehen? Sie werden in der Hitze sterben! Wenn es dem König gut tut in der Sonne zu stehen, dann möge er dort stehen und unter der Sonne sterben!”
Während seiner Jugend in Theben war Echnaton nie mit seiner Familie dargestellt und nie auf Monumenten verewigt worden. Hier in seiner eigenen Stadt versteckte er sich nicht. Die Macht seines Amtes erlaubte es ihm zum ersten Mal er selbst zu sein. Doch damit nicht genug: Echnaton ging noch weiter und stellte sich als "Sohn des Aton" auf die gleiche Stufe wie Ra, dessen Vater ebenfalls Aton war. Dadurch "beförderte" er sich zum göttlichen Wesen auf Erden und konnte sich nun völlig seinem "Gott und Vater" hingeben.
Er und Nofretete lassen sich als Kinder des Sonnengottes feiern. Seine Untertanen mussten nun der Dreifaltigkeit von Aton, Echnaton und Nofretete huldigen, denn nur der Pharao und seine Frau standen im direkten Kontakt zu Aton.
In seiner Begeisterung für Aton ging Echnaton sogar noch weiter. Er ließ nicht nur die Namen der alten Götter von den Denkmälern entfernen, er mischte sich sogar in das Weiterleben der Ägypter nach dem Tode ein. Er wollte den starken Jenseitsglauben verdrängen und versuchte den Ägyptern beizubringen, dass das Leben im Diesseits stattfindet und nicht in der Totenwelt. Allerdings ist er mit diesem großen Gedanken gescheitert. Eigentlich wollte Echnaton nur, dass jeder glücklich und alles schön ist, und jeder jeden liebt. Aber leider funktionierte das nicht auf diese Weise. Echnaton war zu lange isoliert gewesen und verstand die Menschen nicht. Er schuf eine neue, schöne idealistische Religion, die ihrer Zeit weit voraus war, aber die Menschen völlig überforderte. Nie zuvor hatte die Religion in Ägypten so extrem zwischen Herrscher und Volk unterschieden. Seine Vision des einen Gottes sollte für alle gelten, doch sie blieb die Religion einer kleinen Elite. Der Großteil sehnte sich nach der herkömmlichen Ordnung mit ihren vielen Göttern, die ihr Leben bisher bestimmten.
Sogar in seiner eigenen Stadt wird Echnatons Religion kaum angenommen. Selbst an diesem neuen Ort beten die Menschen im Verborgenen zu ihren alten Göttern.
In seiner Stadt war Echnaton weit entfernt von den Leiden seiner Kindheit und ebenso weit entfernt von der politischen Realität. Es scheint, er habe in seinem "Paradies" erst spät bemerkt, dass Ägypten an Macht verlor. Er glaubte, dass die Liebe und die Güte die Menschen besser machen würde und weigerte sich Kriege zu führen. Das Ergebnis von seinen wohlmeinenden Absichten war für Ägypten verhängnisvoll. Draussen im Land war die Zeit des Überflusses inzwischen zu Ende. Ägyptens einst große Armee hat an Einfluss verloren. Fremde Länder zollten keinen Tribut mehr und die Hilferufe von fernen Außenposten verhallten ungehört. Innen- wie Außenpolitisch war die Lage angespannt und Ägytens Vormachtstellung gefährdet. Doch Echnaton hatte Probleme im eigenen Land und Achet-Aton.
Der Untergang
Die Götter Ägyptens schienen Achet-Aton nicht wohlgesinnt. Erstaunlich viele Menschen starben in kürzester Zeit. Was war damals geschehen? Und warum gibt es bei den Ausgrabungen so viele Skelette von Jugendlichen und Säuglingen? Epidemie oder Seuche? Die Strafe der alten Götter, die Echnaton stürzte?
Das Leben in Achet-Aton war bei weitem nicht so schön, wie es offiziell dargestellt wurde: Die Palastszenen in der Grabkammer zeigen zwar ein Leben im Überfluss, doch die Menschen hatten an diesem Leben keinen Anteil. Während Aton vom Pharao gut versorgt wurde, schien sein Volk zu leiden. Insgesamt fanden die Archeologen bei den Ausgrabungen im Aton-Tempel eine unglaubliche Anzahl von »1800 Opfertischen«. Das entsprach absolut nicht den konventionellen Tempelsitten Ägyptens. Hat der Pharao in seinem Größenwahn tatsächlich alle Opfertische tagtäglich mit frischen Opfergaben beladen lassen? Hat er all das Essen in der prallen Sonne verrotten lassen, während sein Volk hungerte? Brach er auch hier sämtliche Traditionen? Denn »Maat«, die Göttin der "Gerechtigkeit und Ordung" existierte in der Religion Echnatons nicht mehr.
Die einfachen Bürger mussten viel und schwer arbeiten. Der Baustil Achet-Atons machte dies nicht einfacher. In der Stadt gab es kaum Schatten. Auch die Häuser der einfachen Bevölkerung Achet-Atons waren so errichtet, um zu jeder Tageszeit Atons Strahlen empfangen zu können. Das Leben und die schwere körperliche Arbeit spielte sich überwiegend in der prallen Sonne ab. Es gab auch keinen Überfluss an Nahrung - zumindest nicht an nahrhaftem Essen. Das Leben war hart und die Königsfamilie kümmerte sich nicht um sie.
Die Sterblichkeitsrate in der neuen Stadt war ungewöhnlich hoch. Unter den Toten befand sich eine erstaunlich hohe Anzahl an Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 20 Jahren. Viele der Skelette zeigen Missbildungen und deutliche Anzeichen einer Anämie. Dieser Umstand wirft neue Fragen auf. Sind das Folgen von schlechter Ernährung, Eisenmangel, der unbarmherzigen Sonne, oder Parasiten? Wütete in Achet-Aton eine Epidemie oder gar die Pest? Angesichts der hohen Sterblichkeitsrate unter den jüngsten Bewohnern liegt diese Vermutung nahe.
Zwischen dem 12. und 14. Jahr seiner Herrschaft erleidet die Königsfamilie selbst mehrere schwere Schicksalsschläge:
Echnatons Mutter »Teje« und 3 der 6 Prinzessinnen - Maketaton und die beiden jüngsten Töchter, beide noch Kleinkinder - sterben hintereinander.
Auch Echnatons Nebenfrau »Kija« taucht plötzlich in den Aufzeichnungen nicht mehr auf. Manche Ägyptologen gehen davon aus, dass auch seine Frau und Mitregentin »Nofretete« zu dieser Zeit starb. Sollten zu jener Zeit tatsächlich Mutter und beide Ehefrauen gestorben sein, wäre Echnaton in seinen letzten Lebensjahren beinahe ganau so einsam gewesen, wie in seiner Kindheit.
Nofretetes Tod aber, muss Echnatons Herrschaft endgültig ins Wanken und Zweifel in seine Religion des Diesseits gebracht haben. Es geschah das Undenkbare: Echnaton, Pharao und lebender Gott starb im 17. Jahr seiner Regentschaft auf unbekannte Weise. Starb er vor Einsamkeit, seiner Krankheit, oder hatte auch ihn die Pest dahingerafft?
Man kann durchaus nachvollziehen, warum die Ägypter Echnaton und seinen Gott verfluchten. Er untergrub ihre traditionellen Werte und alles wofür sie standen.
Der große Visionär Echnaton scheitert und stirbt in jungen Jahren. Kaum etwas wird von seinem Lebenswerk übrig bleiben. Seine Stadt Achet-Aton ist dem Untergang geweiht. Schon bald nach seinem Tod verließen die Bewohner Achet-Aton - unfähig zu verstehen, was ihr Pharao gepredigt hatte - und kehrten zu ihren vertrauten Göttern zurück. Die Tempel der alten Götter wurden wieder geöffnet und die Priester Amuns kamen wieder an die Macht.
Echnaton wird zum "Ketzer" erklärt und die nachfolgenden Generationen unternehmen alle Anstrengungen, die Erinnerung und Andenken an Echnaton auszulöschen. Sein Abbild und Name wird von den Monumenten Ägyptens entfernt, so wie er es mit den alten Göttern getan hatte. Der Name Echnaton wurde aus der Geschichte verbannt. Das Experiment in der Wüste war gescheitert. Die Stadt »Achet-Aton« wurde dem Wind überlassen und versank im Sand.
»Echnaton«